Wie Sie hören, hören Sie nichts

Stille

 

Hier hocke ich schon seit Stunden, genieße die fabelhafte Aussicht und - höre nichts. Aber das liegt nicht daran, dass ich plötzlich ertaubt bin (sagt ihr das so?), sondern dass einfach keine Geräusche da sind. Ich lausche gebannt. Himmel, ist das selten!

Ich denke zurück an die omanischen Städte, an die Städte Deutschlands und ihren Lärm. Selbst in der idyllischen deutschen Provinz gibt es nur ganz kleine Stellen, an denen es so lautlos ist. Wie weit hört man eine Autobahn rauschen. Wie oft hört man Menschen, die mit brummenden Geräten ihren Garten bearbeiten. Wie lang hört man Motorräder und andere zweifelhafte Fahrzeuge die Landstraße entlang düsen. Vom Baulärm jeglicher Art ganz zu schweigen. Und wenn das alles tatsächlich mal fehlen sollte, gibt es immer noch den Fluglärm. Gegen den hilft kein enger, ablegener Talkessel, keine Schallschutzwand, kein Berg. Bei Fluglärm gibt es kein Entkommen.

 

 

 

 

Lärm wird immer erzeugt von Motoren und weil ihr Zweibeiner heute kaum noch etwas ohne Motor macht (selbst Zähneputzen habe ich mitbekommen), macht ihr auch kaum noch etwas ohne Lärm. Motor = Lärm. Das Ganze heißt Lärmverschmutzung, habe ich mal gelernt. Ein sehr passendes Wort, wie ich finde. Aber merkwürdigerweise seid ihr Menschen für diese Dauerbeschallung ziemlich unempfänglich. Es scheint euch kaum zu stören. Komisch eigentlich, denn ihr seid doch nicht viel tauber als manche Tiere. So schweifen meine Gedanken ab.

 

 

 

 

Doch halt! Ich rufe mich selbst zur Ordnung: „Jetzt, wo endlich mal kein Lärm da ist, ist doch irgendwie welcher da, weil ich an ihn denke. Doof eigentlich.“ Also schließe ich meine wilden Gedanken und öffne meine Lauschorgane.

Ah, wie schön! Es ist immer noch nichts zu hören. Doch da – ganz leise! Eine entfernte Grille zirpt. Eine ganze Weile später zieht eine Ziegenherde leise trappelnd und abendessend an mir vorbei. Kaum zu glauben, dass zwanzig Tiere so still sein können. Weitere zehn Minuten später ertönt ein einzelner Eselsschrei. Dazwischen und danach: Ruhe. Äußere Ruhe. Gebannt lausche ich ihr – den ganzen Abend lang. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr merke ich, wie ich runterkomme (so sagt ihr das, oder?). Ich atme tiefer, denke an fast nichts und schaue einfach nur in die hummelstarke Aussicht. Das reicht mir völlig aus. Stille entspannt. Äußere Ruhe wird zur inneren Ruhe. Ah, wie schön! Ich denke es immer wieder.

 

 

 

 

Auf meinem gesamten Oman-Aus-Flug gibt es immer wieder ganz viele solcher Stunden der äußeren und inneren Ruhe. In den trockenen Weiten des Landes wohnen halt wenige Zweibeiner. Und wenig Menschen heißt Stille. Ich genieße diese Stunden sehr und kann euch nur wärmstens ans Herz legen, euch in eurem Umfeld so ein stilles Örtchen zu suchen und es immer wieder zu aufzusuchen, am besten sogar mit dem Fahrrad (ist nämlich lautlos).

 

 


Infos:

In Oman war ich im April 2024.