Bleibt alles anders

Java

 

"Was für ein Wahnsinnsritt!" Ich hocke in einem altersschwachen Autobus und bin auf Java unterwegs von Yogyakarta zum Borobodur, einem der berühmtesten Tempel des ganzen Landes. Um den kommt auch ein Reiserabe nicht herum. In halsbrecherischem Tempo prescht der Bus durch die Ortschaften. Es ist wie immer viel los auf und neben den Straßen, sodass der Busfahrer manchmal so scharf bremsen muss, wie es mit diesem klapprigen Gefährt noch möglich ist. Dass niemand im und um den Bus herum zu Schaden kommt, ist ein Wunder. Auf den unebenen Straßen wackelt es ordentlich und weil die Stoßdämpfer vor 85 000 km ihren Dienst quittiert haben, hopse ich manchmal ganz schön hart auf meinem Sitz auf und ab. "Mein Sitz" ist allerdings nur ein Viertel davon, denn vor Kurzem hat sich eine vierköpfige Familie auf den Rest der Zweierbank neben mir gequetscht. Mittendrin geben sich Musiker mit teils selbstgebauten Instrumenten und Händler mit beachtlichem Angebot für jeweils eine Station die Bustür in die Hand, um uns Fahrgäste zu beschäftigen und ein spärliches Geld zu verdienen.

 

 

 

 

Doch plötzlich ist Schluss mit der Show. Der Bus kommt zum Stehen, gerade anwesende Händler und Musiker steigen aus. Nach einer halben Stunde ist klar: Wir stecken fest. Verflixt! Bis zum Abzweig zum Borobodur kann es nicht mehr weit sein. Wir sind doch schon im richtigen Städtchen. Einige Fahrgäste und ich steigen aus und beginnen, den Weg aus eigener Kraft zu bewältigen, laufend oder fliegend. Schnell erkenne ich die Ursache für den Stau: Eine Prozession, die an einen heimischen Faschingsumzug erinnert. Scheinbar nehmen verschiedene Vereinigungen aus dem Ort teil.

 

 

 

 

Ich will nichts verpassen und fliege knapp über die Köpfe hinweg. Ich werde gegrüßt, gefragt und muss zahlreiche Fotostopps machen. Alles in allem eine lustige Veranstaltung. Ich schaffe es tatsächlich bis zum Kopf des Zuges und nehme für den Rest des Weges ein Motorradtaxi. Da auch die direkte Zufahrtsstraße zum Borobodur gesperrt ist, fährt mich der freundliche Mann über schlammige Feldwege und einsame Dörfer, zwischen Wäscheleinen, spielenden Kindern und aufgeregten Hühnern hindurch zum Tempel. Geschafft.

 

 

 

 

Was bleibt am Ende dieses Aus-Fluges, wenn ich kurz vor dem Einschlafen zurückdenke? Der Borobodur, klar. Aber auch: Was für ein Abenteuer und wie viel lustiger war dieser Weg! Jetzt, wo ich ohne einheimische Begleiter unterwegs bin, passieren mir viel eher solche Geschichten. Ich habe schon um Bus- und Bahnfahrkarten gerungen, bin an Bahnhöfen freundlich bis zur richtigen Station weitergereicht worden, habe schon gutes Essen in zweifelhaft aussehenden Lokalen gefuttert, habe schon... Darin unterscheidet sich meine Reise auf Java ganz deutlich von den anderen Inseln. Dort bin ich nämlich immer in organisierter Begleitung und mit einem festen Plan unterwegs gewesen und habe auf diesem Wege unglaublich viel gesehen, erfahren und gelernt. Jetzt, wo ich alleine unterwegs bin, geht alles langsamer. Ich komme lange nicht so viel herum, erlebe aber dafür mehr solche Überraschungen. Mal sind sie schön, manchmal weniger, aber immer erlebnisreich.

 

 

Fotografien vom Prambanan, dem hinduistischen Tempel in der Nähe von Yogyakarta: 

 

 

Alleine kann ich ja auch ohne Vorplanung den Tag über tun und lassen, was ich will. Wenn ich heute Lust habe, durch die Stadt zu streifen, kann ich das tun. Wenn ich morgen Lust habe, den Prambanan (Fotos s.o.) zu besichtigen, kann ich das tun. Oder umgekehrt. Oder gar nichts von beidem. Allerdings habe ich festgestellt, dass auch der Individualtourist an Grenzen stößt. Hier in Indonesien heißt diese Grenze "Das macht man so wie immer und wie alle anderen." An besagtem Ijen war das so. Der Krater des Vulkans ist kurz unter dem Gipfel und dort gibt es etwas wirklich Sehenswertes: Brennenden Schwefel. Die blauen Flammen sind nur im Dunkeln zu sehen.

 

 

 

 

Das übliche Programm sieht vor, nachts erst zum Kraterrand aufzusteigen, in den Krater hinabzusteigen und anschließend vom östlichsten Punkt am Kraterrand aus den Sonnenaufgang zu bewundern. Da ich nun, nach 5 Wochen reisen, bereits einige Sonnenaufgängen gesehen hatte (warum das so ist, erzähle ich dir gleich), wollte ich den Aus-Flug lieber am späten Nachmittag starten, um am frühen Abend die blauen Flammen zu sehen und dann den geordneten Rückzug antreten. Dazu brauchte ich einen Fahrer, der auch auch bereit war, mich auf seiner Schulter sitzend den Wanderweg entlang zu tragen. Ich habe mehrere Indonesier darauf angesprochen. Sie alle waren so auf den üblichen Programmablauf fixiert, dass sie meine Frage gar nicht erst verstanden haben. "Warum willst du das tun?" fragten sie. "Das macht man morgens, sonst siehst du ja den Sonnenaufgang nicht." - "Aber ich will den Sonnenaufgang gar nicht sehen. Ich habe schon so viele gesehen." - "Ja, aber..." So ging das ein paar Mal hin und her, bis ich mich schließlich den ungeschriebenen indonesischen Gesetzen fügte. Und das kam dabei heraus:

 

 

 

 

Nebenbei bemerkt: Die Indonesier bauen den Schwefel dort tatsächlich in mühsamer Hand- und Tragearbeit ab.

 

 

 

 

Eine letzte Erklärung bin ich dir noch schuldig, nämlich die, warum ich auf meiner Reise schon so viele Sonnenaufgänge gesehen habe. Indonesier lieben es, Fremden die Sensationen ihres Landes im Sonnenaufgang zu präsentieren. Prambanan, Borobodur, Bromo, Ijen, bunte Kraterseen, von Safaris zu dämmerungsaktiven Tieren ganz zu schweigen... egal, alles zeigen sie dir im Sonnenaufgang. Meine Aufstehzeiten nahmen übrigens eine sehr bemerkenswerte Entwicklung, die dir vielleicht auch noch mal erklärt, warum ich mich am Ende so gegen den üblichen Ijen-Ablauf gewehrt habe. Beim ersten Mal zur Tiersafari startete ich um 6.00 Uhr. Zu den Kraterseen brach ich um 4.30 Uhr auf. Danach zum Bromo ging es um 3.30 Uhr los. Zum Ijen schließlich zog ich um 0.30 Uhr los. Nun will ich euch aber auch die Bromo-Fotografien nicht vorenthalten:

 

 

 

 

Bei allen diesen mehr oder weniger nächtlichen Aus-Flügen war ich übrigens doch nicht so ganz alleine:

 

 

 

 

Die Kraterseen sahen übrigens so aus:

 

 

 

 

Alles in allem war meine Tour auf Java eine wichtige Station auf meiner Reise. Durch das Alleinereisen habe ich das Land auf eine ganz andere Art kennengelernt, als mit Begleitung. Und sie hat mich zu hummelstarken Reisezielen gebracht, ohne die ich etwas verpasst hätte.

 

 

Solltest du vom Bromo noch nicht genug bekommen haben, gibt´s noch ein paar Fotos mit Tageslicht, als Ausklang meines Java-Aus-Fluges sozusagen: 


Infos:

 

In Indonesien war ich im Juli/ August 2019.