Heute mache ich eine außergewöhnliche Reise: Es ist nicht nur wie sonst bei mir üblich eine Raumreise, sondern auch eine Zeitreise!
Ich bin nämlich wieder in Kalbe gelandet, der Kleinstadt in der Altmark, der der endgültige Verfall droht, die aber auch wundersame Rettung erfährt. Vor zwei Jahren war ich dort und heuer, 2024, hat es mich fast zufällig wieder hierher verschlagen. Wieder ist es Sommer, wieder findet der Sommercampus statt, allerdings hat der gerade erst angefangen und ich erlebe den allerersten Atelierrundgang mit.
Es ist schon lustig, den gleichen Ort noch einmal zu besuchen. Es gibt Dejá-vus und Veränderungen, Altbekanntes und Entwicklungen. Selbst manche Mobilien sind immer noch genauso wie vor zwei Jahren: Das Moped im Fenster, der Tigerwandteppich samt Bierkrügen und Plastikblumen im Schaufenster z.B. Auch die Gesamtoptik des Städtchens ist im Großen und Ganzen beim Alten geblieben. Klar – das eine Haus erscheint mir etwas ungepflegter, das andere mag vielleicht herausgeputzt worden sein, aber die allgemeine Wirkung ist die gleiche.
Doch ich stelle fest, dass sich auch mein Blick geändert hat: Beim diesem zweiten Hinsehen entpuppen sich recht wenige Häuser als kompletter Leerstand. Manche sehen zwar wirklich bemitleidenswert aus, sind aber bewohnt von Leuten. Beim ersten Besuch schienen mir viele Häuser ungenutzt.
Auch dieses Mal komme ich mit Corinna ins Gespräch, der beherzten Seele des Projektes "Künstlerstadt Kalbe". Anno 2022 diente sie in erster Linie der Wiederbelebung des Ortes. Mittlerweile hat die Künstlerstadt ihre Aktivität von Kalbe auf die Region Altmark ausgeweitet. Fördermittel bekommt sie dafür aus dem Programm "Allerland", das von 5 verschiedenen Bundesministerien finanziert wird. Ziel ist die Demokratieförderung im weitesten Sinne, z.B. Engagement für und Identifikation mit der ländlichen Wohngegend, Vermeidung von Leerstand. Die Künstlerstadt begleitet beratenderweise zwei andere Ortschaften der Altmark bei deren Versuch der Dorfbelebung. Gleichzeitig schreibt sie aus ihren eigenen und den neuen Erfahrungen ein Konzept zur Ortsbelebung. Phase 1 endet im Feb 25. Danach werden 30 der 97 Projekte in Phase 2 für weitere 5 Jahre gefördert.
Genau so etwas war Corinnas Ziel, als wir uns vor zwei Jahren getroffen haben: Sie wollte weg von kleinteiliger und kurzfristiger Förderung hin zu größer angelegten Finanzierungen. Es freut mein kleines Rabenherz ungemein, dass ihr dies gelungen ist und ich hoffe sehr, dass ihre Idee sie auch in die nächste Stufe weiterträgt.
In den Straßen Kalbes ist Vieles im Fluss: Zwischengenutzte Gebäude mussten aufgegeben werden, andere wirklich dringend sanierungsbedürftige Häuser wurden gekauft, die Hauptgebäude (das alte Gericht und der Kulturhof) sind mit der Sanierung vorangekommen oder fertig.
Zufrieden und erleichtert halte ich also fest: Die Künstlerstadt lebt und arbeitet weiter. Einiges geht voran, aber in wirklich kleinen Schritten und bis zur gesicherten Rettung Kalbes ist es noch ein laaaaaaaanger Weg. Dafür wünsche ich alles Gute, zu dem mein kleines Rabenherz fähig ist.
Infos:
In Kalbe war ich im Juli 2022 und im Juli 2024. Dieser Bericht entstand anno 2024.